Montag, 6. Mai 2019

Rossoschka, der Soldatenfriedhof von Wolgograd

6.5.19


Ganz früh morgens erreicht das Schiff Wolgograd. Kurz nach 8 fahren wir mit dem Bus zum Soldatenfriedhof Rossoschka. 
Ein kurzer Stopp in der Stadt bietet die Chance, sich ein paar Blumen zu kaufen. Auf dem Friedhof selbst gibt es dazu keine Gelegenheit.


Vom Schiff aus sollen es bis dorthin etwa 60 Kilometer sein. Die letzte Strecke geht ziemlich schnurgeradeaus durch eine absolut flache Landschaft, die sich Steppe nennt.



Der Stein mit  ROSSOSCHKA ist nicht zu übersehen, die beiden Friedhöfe fallen in ihrer flachen Gestaltung zunächst nicht weiter auf.
                 













In der kleinen Ortschaft Rossoschka am gleichnamigen Flüsschen hatten die Deutschen bereits während des Krieges einen Friedhof angelegt, was dann ausschlaggebend gewesen sein soll für die Standortwahl der Gedenkstätte. Die Ortschaft wurde im Krieg total zerstört, viele Bewohner getötet. Auch für sie wurde Gedenkstein aufgestellt, genauso wie für die Kriegsgefangenen der verschiedenen Nationen, die hier ums Leben kamen.



Die Anlage wurde im Mai 1999 eingeweiht, also auf den Monat genau vor 20 Jahren.  Sie ist sozusagen der Sammelfriedhof für alle Gefallenen von Wolgograd bis Rostov am Don.
Die unzähligen Namen der identifizierten und beigesetzten Soldaten wurden auf Granittafeln an der Rundmauer eingraviert, die eine scheibenartige Fläche mit einem Durchmesser von 150 Metern umfaßt.


Die etwas abseits liegende offene Friedenskapelle soll ein Zeichen der Versöhnung zwischen den ehemaligen Feinden darstellen, deren Tote nun zu beiden Seiten derselben Strasse begraben liegen. Um zu ihr zu gelangen, muss man durch eine sumpfige Grasfläche stapfen, in der streckenweise heidekrautartige Pflanzen blühen. Neben den wenigen abgelegten Blumen sind dies die einzigen mir farblichen auffallenden Akzente des Friedhofs.


 Von weitem wirkt die Kapelle auf mich zunächst wie eine zerstörte Kathedrale.



Während man an der Rundmauer die Namen der identifizierten Gefallenen findet, stehen auf den Stelen die Namen der Vermissten und der nicht mehr zu bergenden Soldaten aus dem Wolgograder Stadtgebiet.


 


Verwirrt durch die unzähligen Namen und die Gedanken, welche Tragödien hinter jedem einzelnen Namen stehen, lege ich meine Blume auf irgendeiner der Stelen ab, bevor ich sie versehentlich wieder mit in den Bus nehme. Alleine die unfassbaren Zahlen bringen mich durcheinander und wollen nicht in meinem Kopf und sobald sie drinnen sind, nicht wieder raus...
Ob sie exakt so stimmen wie ich sie hier aufschreibe, weiß ich nicht. Es werden auch erheblich unterschiedliche Zahlen genannt.
Insgesamt kamen wohl mehr als 700.000 Menschen während der Zeit des Krieges in und um Stalingrad ums Leben.
Die Einwohnerzahl Stalingrads betrug vor dem Krieg etwa etwa 500.000. Nach dem Krieg waren es noch weniger als 8000! Etwa 300.000 Sowjetsoldaten mussten ihr Leben lassen, ungefähr 150.000 deutsche Soldaten traf das gleiche Schicksal.
An anderer Stelle las ich von 700.000 Rotarmisten, 200.000 Zivilisten und 300.000 deutschen Soldaten, die ums Leben gekommen wären. Ich weiß nicht, was stimmt. Es war sowieso jeder einzelne Tote zuviel!
In Gefangenschaft gerieten noch circa 90.000 durch Hunger, Kälte und Krieg geschwächte Wehrmachtssoldaten, von denen nur 5- bis 6000 nach Deutschland zurück kehrten.
Die Rede zur Befreiung von Stalingrad hielt übrigens Nikita Chruschtschow, der der älteren Generation noch in lebhafter Erinnerung sein dürfte.

Übrigens hat Wolgograd heute mehr als eine Million Einwohner!
















In etlichen Büchern kann man nach Namen von Vermissten suchen und
erhält vielleicht eine erhellende Antwort.
Ich habe die Vor- und Nachnamen von gefallenen und vermissten Verwandten gefunden. Ob es sich um die Gesuchten handelt, muss ich zu Hause an Hand der Geburtsdaten prüfen.

               

Auf der gegenüber liegenden Straßenseite befindet sich die halbkreisförmig angelegte russische Gedenkstätte. Sie wurde 1997, nur durch eine kleinen Landstraße von der deutschen Kriegsgräberstätte getrennt, angelegt.  Es entstand ein halbkreisförmiger Friedhof für sowjetische Gefallene, ebenfalls mit Unterstützung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge.

Fast 40.000 sowjetische Soldaten sollen dort mittlerweile beigesetzt worden sein, und weitere sollen dazu kommen.
Hunderte von Toten ruhen in den Grabstätten, auf denen grüne Helme auf Granitsteinen liegen. Tausende Tote ruhen in einem Massengrab.  Die Identifizierung der russischen Gefallenen ist schwieriger, wenn nicht gar unmöglich, da sie später keine Metallmarken trugen.
Zur Erinnerung an die Schlacht von Stalingrad und die sowjetischen Kriegsgefallenen in Wolgograd stellt aber nicht dieser Friedhof, sondern die Mutter-Heimat-Statue in Wolgograd auf dem Mamajew-Hügel die bedeutendste russische Gedenkstätte dar.


Die russische Gedenkstätte ist völlig anders angelegt und wirkt nicht nur auf mich emotionaler gestaltet, was evtl. mit den farbigen Akzenten durch die vielen roten Blumen liegt, die wohl noch vom 1. Mai stammen oder schon für den 9. Mai bereit liegen. Zusätzlich liegt auf jedem Grab ein dunkelgrüner Stahlhelm. All das glänzt in der heftig vom Himmel herabbrennenden Sonne in dieser weiten Landschaft mit ganz viel beeindruckenden Wolken am endlosen Himmel.




Die zentrale Figur des Gedenkplatzes hält eine Glocke, bei der der Klöppel fehlt, als Zeichen dafür, dass man bei so viel Leid nur verstummen kann. Diese Figur sehen wir auf der Reise nicht nur einmal.



Einige Informationen sind mir leider ganz bestimmt entgangen, aber ich hasse es, herumstehend stundenlangen Erklärungen zuzuhören, um dann nur 10 Minuten Zeit zu haben, mir mit meinen eigenen Sinnen ein Bild zu machen. Obwohl die Zeit zur Besichtigung beider Friedhöfe ausreicht, hat mir doch Zeit zum Verweilen gefehlt.



Zitat am Eingang zum Deutschen Soldatenfriedhof:

"...Die Erde Hier Ist Getränkt Mit Blut Von Zehntausenden Soldaten Und Zivilbevölkerung - Ihre Stimmen Rufen Uns Zu: In Harten, Schrecklichen Stunden Sind Wir Gefallen.
Uns War Nicht Die Möglichkeit Gegeben, In Dieser Welt Zu Leben.
Lebende, Denkt An Uns Und Sorgt Dafür, Dass Ewiger Friede Wird Auf Dieser Erde."


 
Wir sitzen im Bus, und es geht zurück zum Schiff. In der Stadt staut sich mittlerweile der Verkehr. Es geht so langsam ins Wochenende, da wollen alle raus aus ihren Wohnsilos und hinaus auf die Datscha.


 Durch die Staus und Ampelstopps kann ich wenigstens aus dem Bus heraus ein paar Fotos nachen.


"Mutter Heimat" (oben) gibt es auch auf dem Plakat, und den nach dem Krieg wieder aufgebauten Bahnhof (unten) konnten wir leider nicht besichtigen. Das Plakat zum 9. Mai darf nicht fehlen.


Ein paar wenige alte Gebäude entdecke ich auf der Strecke doch noch.
.

 
Die Wolga ist in Sichtweite, wir kommen gleich zum Schiff.



Zurück am Schiff bleiben gerade noch 15 Minuten bis zum letzten Einschiffungstermin, in denen ich meine Hand endlich einmal in das Flusswasser tauchen kann. Ein wenig Hochwasser führt die Wolga noch, was man ja unterwegs an den dem Wasser herauragenden Bäumen sehen konnte.


Jetzt ein Stündchen auf einer Bank an der Wolga mit dem Blick auf die tollen Wolken, die der Wind vor sich her treibt, wäre das schön...



Bei unserer Weiterfahrt entlang der Stadt kommen wir noch einmal an den Hauptsehenswürdigkeiten vorbei. Die Mutter Heimat begleitet uns ein ganzes Stück.
Noch weit nach dem für die Fußballweltmeisterschaft erbauten Stadion fuchtelt sie mit ihrem Schwert hinter uns her.

Abschied von Wolgograd


das Panoramamuseum, die Mühle und der Obeslisk


Mutter Heimat erscheint zwischen den Wohnblöcken.


...gleich sind wir am Fussballstadion...sie auch...


...und nach dem Stadion immer noch...


...und hört nicht auf, ihr Schwert zu erheben...


Nachdem wir den Blicken von "Mutter Heimat" dann doch endgültig entflohen sind, haben Wasser und Wolken wieder Oberhand.
Die Gegend ist weiterhin flach, ohne irgendeine wesentliche Erhebung.
Landwirtschaft kann auf den riesigen Flächen nicht in großem Stil betrieben werden, da die Böden steppenartig und teils versalzen sind. Gegen ausgedehnte Industriezonen hingegen scheinen die Böden nichts zu haben.



 
 Die Landschaft soll sich erst nach Saratow ändern, unserem nächsten Ziel. Ab dann soll es deutlich grüner werden. Während des Mittagessens fahren wir in unsere neunzehnte Schleuse ein, die in den Wolga-Stausee führt. In 2 Kammerschleusen müssen insgesamt 28 Höhenmeter überwunden werden.

Nördlich von Wolgograd liegt eines der mächtigsten Kraftwerke der Welt.
Gesehen habe ich es leider nicht, da ich in einen nachmittäglichen Tiefschlaf gefallen bin.

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