Sonntag, 12. Mai 2019

vom Kloster zu den Handelsreihen.. Kostroma

12.5.19 Kostroma...nachmittags

Unterwegs gibt es immer was zu sehen. Langweilig ist mir nie.



Auch die nördlichste Stadt des Goldenen Rings, Kostroma,  ist ziemlich alt. Sie wurde wahrscheinlich im Jahre 1152 gegründet. Zerstörung und Wiederaufbau kam in den Jahrhunderten immer einmal wieder vor. Vom hölzernen Kreml blieb auf Grund von Bränden nichts übrig.
Die Gebäude, die man jetzt anschauen kann, stammen aus dem Ende des 18. und den Anfängen des 19. Jahrhunderts und sind alle aus Stein errichtet. Man hat den Eindruck, man spaziert in einer klassizistischen Museumsstadt herum.

die ersten Handelsreihen kommen ins Blickfeld
ein Gebäude sehenswerter als das andere
Wir machen zunächst einen Rundgang über den riesigen Sussanin- Platz mit verschiedenen Handelsreihen, Denkmälern, Skulpturen,  Feuerwache, Gerichtsgebäude und dem Wohnpalais des Generals Borschtschow, nur um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu nennen.




Würde am Platz eine Modenschau ausgeschrieben, so bekäme das Mädchen mit dem Blumenkranz von mir den ersten Preis.




Bei den Skulpturen wäre der Greifvogel mein absoluter Favorit.




Am Platz ganz weit weg in Richtung Wolga steht auf einem hohen Sockel die sowjetische Variante des Iwan Sussanin. Die erste Statue hatte nicht die richtige geistig- politische Einstellung gezeigt, da Sussanin sich hier zu Füssen des von ihm 1612 unter Aufopferung des eigenen Lebens geretteten und  Michael Romanow, dem Begründer der Dynastie der Romanows befand. Diese Säule wurde gesprengt. Seit 1967 wacht nun der neue, riesige Sussanin politisch korrekt zwischen beiden Handelsreihen.

Sussanin am Ende des Platzes
Sussanin- politisch korrekt
Wir fahren jetzt erst einmal zum Ipatios- Kloster, das ein wenig ausserhalb liegt.


Auch unterwegs kommen wir immer wieder an Klöstern vorbei. Das Ipatios Kloster kann man jedoch nicht verfehlen. Ohne die große Brücke davor zu überqueren, kommt man nicht hin.



Die Sitten sind genauso streng wie bei meinem ersten Besuch hier im Jahre 2014. Man kann zwar im kürzesten Minirock das Kloster betreten, Hauptsache man hat ein Kopftuch auf. Aber eine lange Hose muss auf jeden Fall mit einem Nylonrock verhüllt werden, den man sich, wie auch das obligatorische Kopftuch -falls man kein eigenes dabei hat- aus einer Kiste herauskamen darf.

So verkleidet sehe ich aus, als käme ich geradewegs von der Arbeit auf den Feldern der Kolchose zurück.


Die weiblichen Drachen, mit denen man es beim letzten Mal zu tun bekam, wenn man auch nur seinen Fotoapparat unauffällig in der Hand hielt, haben frei oder sind in Pension geschickt worden. Heute kümmert sich keiner darum, ob jemand fotografiert oder nicht. Am Eingang muss man ein Ticket zusätzlich fürs Fotografieren lösen. Es gab aber den schriftlichen Hinweis, dass Fotos in Innenräumen nicht erlaubt sind. Während man in Klöstern, Kirchen und Museen oft gar keine Beschriftungen in englisch zu lesen bekommt, darf man hier zahlen, bekommt sogar eine lesbare Info darüber, dass man aber nur ein kleines bisschen fotografieren darf. Heute scheint aber fotografisches Tauwetter zu herrschen.





Die Fresken aus der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sollen durch die "Renovierungsverschönerungen" deutlich an Leuchtkraft verloren haben. Dank der Foto- Verbesserungsprogramme ist das zumindest für die Fotos kein Problem, aber schade natürlich trotzdem!







Ein Blick in die Kirchenkuppel:




Draussen machen sich die vielen Verkaufsbuden gegenseitig Konkurrenz. In der Gegend hier sitzt nicht nur viel Holzindustrie, auch Textilindustrie. Die Tischdecken, Jacken, Blusen und Hemden machen einen qualitativ hochwertigen Eindruck und sind modisch voll in der Zeit.


Bei der knappen Zeit, die den Kreuzfahrern gegönnt wird, ist das Einkaufen für viele Kaufinteressenten eine große Versuchung und Herausforderung zugleich. Kurz vor dem Bus stellen sie dann auch noch fest, dass es hier 3 Euro billiger gewesen wäre. Was für ein Drama!
 Da ich nichts kaufe, kann ich das Ganze schmunzelnd betrachten, während ich ein leckeres Eis genieße und zur Wolga schlendere, in die hier die Kostroma einfließt.
Dort wird geangelt, ein Gläschen Wein getrunken oder einfach nur auf das Wasser geschaut.


Auch auf dicken, gepflegten Motorräder kann man die Gegend erkunden.


Jetzt geht es zurück in die Stadt. Aus dem Bus heraus hat man die ganze Anlage des Ipatev- Klosters (auch Ipatios-) noch einmal wunderbar im Blick.


Zurück im Stadtkern von Kostroma gibt es noch einen kleinen gemeinsamen Gang zu den imposanten Handelsreihen, und danach ist ungewöhnlich lange Freizeit angesagt.




In den geschlossenen Reihen sind Geschäfte untergebracht, aber es gibt auch sehr viel Leerstand, kein Wunder bei den unzähligen kleinen Einzelgeschäften.



In den inneren Reihen regt sich heute leider nur wenig. Ich habe keine 5 Geschäfte gezählt und ein einziges kleines Lokal. Vor 4 Jahren gab es immerhin ein wenig Markttreiben. Allerdings haben wir heute Sonntag.





Diese Plakate scheinen etwas über Ausgrabungen zu erzählen- nur in kyrillischen Buchstaben... Wenn ich mich nicht täusche, standen sie an gleicher Stelle und unveränderter Umgebung auch schon vor 5 Jahren.


Die Handelsreihen in Kostroma stellen den am besten erhaltenen Komplex ihrer Art in ganz Russland dar. Die einzelnen Reihen wurden nach den Waren benannt, die dort zum Verkauf kamen. Die Idee, die dahinter gesteckt haben soll, war die der einfacheren Erfassung von Verkäufen und somit auch der praktischeren Besteuerung.
Auch heute noch heißen sie: Große Mehlreihe, Fisch-, Gemüse-, Tabak-, Butter- oder Pfefferkuchenreihe.
In die Reihen nahtlos eingegliedert ist die Erlöserkirche mit ihrem barocken Glockenturm.


Insgesamt gibt es vier separate und durchaus unterschiedlich gestaltete Zugänge ins Innere der Reihen. Jeder Zugang hat seinen eigenen Reiz.







Hinter den Handelsreihen liegt auf dem Gelände des früheren Kreml ein großer Park. Dort wurde noch 1914 am Postament für eine Statue Nikolaus des II. gearbeitet.
Statt eines Romanow "thront" aber seit 1917 sozusagen Lenin mit seinem ausgestreckten Arm auf der Säule.


Auf dem Gelände stand die historische Mariä- Entschlafenes- Kathedrale, die um 1930 herum gesprengt wurde. Der Wiederaufbau scheint im Gang zu sein. Eine Bilderausstellung im Freien zeigt dazu einige historische Dokumente.





Jetzt verlasse ich den Park, aber egal, wann ich mich noch einmal umdrehe, ich fühle mich immer von Lenins Blick verfolgt.




Direkt aus dem Park führt ein schöner Weg hinunter zum Flußhafen. In der Nähe wurde 1956 der  Ostrovskij- Pavillon errichtet, in Erinnerung an den Dramatiker Ostrovkij, der im 19. Jahrhundert gelebt hat.




Ich habe aber noch keine Lust aufs Schiff zu gehen. Heute haben wir mehr Freizeit als wir gebrauchen können. Was soll ich bis 21.30 in der Stadt? Aber ein bisschen geht schon noch...

Man braucht auch nicht weit zu laufen, da ist man schon weg von den großen Prachtbauten und Parkanlagen und trifft auf kleine hölzerne Prachtexemplare. Manche sind allerdings mehr oder weniger sorgsam vernagelt.







Ganz schön kalt ist es da drinnen sicher im Winter, wenn man sieht, dass sogar jetzt noch mit Zeitungspapier versucht wird, die kalte Luft abzuhalten. Sieht ja alles ganz idyllisch aus, aber...






Eine Etage höher, das wäre dann sozusagen die dritte Parallelstrasse zur Wolga, verläuft eine recht gepflegte Promenade, an der auch einige schöne Häuser zu sehen sind.




Gelegentlich haben hier auch Leute gewohnt, die einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht haben. Die bekommen dann, meist erst nach ihrem Ableben, ein Schild ans Haus montiert.  Leider ist wieder alles nur in kyrillischen Buchstaben geschrieben.

Die Treppe abwärts hat schon gelitten, das scheint aber niemanden weiter zu stören. Die losgelösten Fliesen bleiben einfach liegen. Da schaue ich lieber ganz genau hin...



Am Wolgaufer ist eines der wenigen Beispiele von Street Art zu sehen, das ich bisher gesehen habe.



Nicht weit daneben entsteht eine große Anlage mit zahlreichen Wohnungen, alles abgeschirmt mit Zaun und zentralem Zugang. Es kommt mir vor wie ein Kreml. In die 'Mauern" wurde sogar eine nagelneue Kirche eingefügt, ebenfalls in dezentem Grün- Weiß, wie auch die Wohnblocks.


Endlich kommt das Schiff in Sicht. Für heute reicht es mir auch. Die Füße werden langsam müde.


Die Sonne putzt sich noch einmal so richtig heraus und zeigt, was sie kann. Am Wolgaufer tummeln sich Alt und Jung, im Sand, am Wasser, zwischen den Steinen, aber überall mit Smartphone.


Die beiden Motorräder habe ich schon am Kloster gesehen, und dort habe ich ihnen hinterher geschaut. Jetzt gucken sie uns hinterher.



Bevor ich auf die Alexander Borodin zu meiner Kabine komme, muss ich durch die Alexander Bunin hindurch. Das ist ein Schwesterschiff von Phoenix, das auch in Rostov gestartet ist. Es hat als Endziel Moskau, während wir nach St. Petersburg fahren werden.


Das war Kostroma.  Ob Jaroslawl schon weiß, dass wir kommen?


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